PORTRÄT

Die Familie von Dr. med. Halima Alaiyan musste 1948 während des Krieges und der Staatsgründung Israels nach Ägypten fliehen. Bis heute leben die Palästinenser in allen arabischen Länder als Flüchtlinge, heimat- und rechtslos, ohne Identität und warten auf Rückkehr in ihre Heimat in Palästina. In Kairo wuchs Halima Alayian auf, sie träumte davon, eines Tages zu studieren und Ärztin zu werden. Doch eine Woche nach ihrem Abitur wurde sie verheiratet. Aus der Ehe stammen drei Kinder ab.

Sie folgte fortan ihrem Mann: zuerst nach Saudi-Arabien, Mitte der 1960er Jahre schließlich nach Saarbrücken, wo er ein Medizinstudium begann. Ein Jahr später durfte sie ihrem Mann nachfolgen, leider ohne ihr drei Kinder, die bei den Großeltern im Flüchtlingslager im Gazastreifen seit 1948 lebten. Erst ein Jahr später ist es ihr gelungen, die Kinder nach Saarbrücken kommen zu lassen. Ihr Sohn war schwer krank und benötigte ständig Bluttransfusionen (Thalassemia Major).

Die Kinder gingen sofort zur Schule, auch Halima Alaiyan besuchte die medizinisch-technische Schule für Labor und Röntgen. Gleichzeitig arbeitete sie und ernährte ihre Familie. Der Ehemann studierte Medizin weiter.

1974 wurde ihre Ehe geschieden. 1974 bis1980 studierte sie Medizin, sie arbeitete weiter und ernährte sich und ihre drei Kinder. 1980 ist sie an ihr Ziel, Ärztin zu sein, angekommen. 1986 erlangte sie die Approbation als Fachärztin für Orthopädie an der Universität des Saarlandes.

Leider ging dem Sohn gesundheitlich immer schlechter, am 5./6.01.1989 ist ihr Sohn verstorben. Beide älteren Töchter waren in zwischen verheiratet.

1986 war sie allen Widerständen zum Trotz, Fachärztin für Orthopädie und schließlich Oberärztin an der Universitätsklinik der Stadt Homburg im Saarland.

Sie ist dankbar, dass sie sich ihren Herzenswunsch, Ärztin zu werden, hier in Deutschland erfüllen konnte. Vor ihrem biographischen Hintergrund ist es bedeutsam für sie, mit ihren drei Kindern in Freiheit in einem demokratischen Land leben zu können. Seit 1980 ist sie und ihre Kinder deutsche Staatsbürger.

Das Saarland, wo sie mehr als 50 Jahre zu Hause ist, hat einen festen Platz in ihrem Herzen. Hier erlebte sie, wie trotz unheilvoller deutscher Vergangenheit mit dem „Erzfeind“ Frankreich aus Feindschaft Freundschaft geworden war und wie diese Verbundenheit im wahrsten Sinne des Wortes innerhalb Europas „grenzenlos“ wurde. Hier in Deutschland erfuhr sie zum ersten Mal über den Holocaust und fühlte mit den Juden wie wichtig ist ein Land zu haben in dem sie sicher und friedlicch leben können. Das wünscht sie sich für Israel und Palästina.

Sie möchte das Saarland mit seinen Menschen auch in Zukunft nicht missen. Dort ist auch ihr Sohn Talat begraben. Neben ihm wird auch irgendwann ihr Platz sein.

Für ihre ursprüngliche Heimat Palästina setzt sie sich als Deutsche und Palästinenserin ein. Als sie das erste Mal ein Konzentrationslager sah, begriff sie, warum die Juden einen eigenen Staat für sich benötigen. Bis heute versteht sie jedoch nicht, dass Israel dieses Recht auf Heimat nicht auch den ursprünglichen Bewohnern des Landes Palästina und den seit 70 Jahren staatenlosen und rechtlosen Palästinensern – ob Christen oder Moslems oder Juden?– zugesteht.

Ihre bewegende Lebensgeschichte wurde in dem Buch „Vertreibung aus dem Paradies, Halima Alaiyan“ veröffentlicht. Der Erlös aus dem Verkauf dieses Buches fließt in die von ihr 2003 gegründeten Talat Alaiyan Stiftung, die sie nach dem Tod Ihres Sohnes ins Leben rief. Einmal im Jahr lädt diese Stiftung israelische, palästinensische und deutsche Jugendliche nach Berlin, Sachsenhausen, ins Saarland, nach Frankreich und Luxemburg ein, wo palästinensische Jugendlichen zum ersten Mal über Holocaust erfahren und Länder ohne Grenzzäune erleben können. Ziel der Stiftung ist es, Vorurteile und Feindschaft durch Austausch abzubauen,  Respekt und Achtung füreinander entwickeln zu können und die Notwendigkeit für ein eigenes Heimat in dem Man sicher und friedlicher leben kann, unabhängig von Religion.

Dr. Halima Alaiyan lebt seit 2010 auch in Berlin. An dieser pulsierenden Stadt schätzt sie die internationale und offene Atmosphäre. „Hier ist Dynamik und Aufbruchstimmung, hier leben verschiedene Kulturen und Generationen miteinander– das gefällt mir“.

Wegen der eingeschränkten Niederlassungsfreiheit für Kassenärzte blieb der Fachärztin für Orthopädie für eine weitere berufliche Tätigkeit nur die Möglichkeit, eine Praxis für Privatpatienten und Selbstzahler zu führen. Flüchtlinge, sozial abgehängte Personen und Notfälle wurden von ihr kostenlos behandelt.

Im Jahr 2009 verlieh Bundespräsidenten Dr. Horst Köhler Ihr das Bundesverdienstkreuz für das Engagement um die palästinensich-isrealisch-deutsche Freundschaft.

LEBENSLAUF

1948 Vertreibung der Familie aus Palästina bei Gründung des Staates Israel.
Schulbesuch und Abitur in Kairo, 1963 Heirat und Auswanderung mit Ehemann nach Saudi Arabien.

1964 und 1965 Geburt der zwei Töchter in Saudi Arabien.

1966 Leben im Flüchtlingslager in Gaza bei den Schwiegereltern,
Ehemann studiert in Deutschland Medizin. Geburt des Sohnes Talat.
Umzug nach Saarbrücken.

1967 Sprachkurse und Abitur an der Uni Saarbrücken.

1967 beginn der Ausbildung als medizinisch technische Assistentin im Labor und Röntgen.

1968 Ankunft des Sohnes schwer erkrankten Sohnes Talat.

1970-1974 Abschluss der Ausbildung, Arbeit im Labor.

1970 Ankunft beider Töchter aus Gaza. Einschulung aller drei Kinder in Homburg-Einöd/ Saarland.

1975 Beginn des Studiums der Medizin in Saarbrücken und Homburg parallel zu Arbeit auf verschiedene Stationen des Krankenhauses.

1980 Staatsexamen und Beginn der Facharztausbildung in der Unfallchirurgie sowie später Orthopädie.

1986 Oberärztin in der Orthopädischen Universitätsklinik Homburg, Saar, Geschäftsführende Ärztin der Landesärzte für Körperbehinderte im Saarland, Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Mittelmeier.

1988 Chefärztin der Skoliose Zentrum Neunkirchen.

1989 Tod des Sohnes Talat.

1993-2016 Tätigkeit in eigener orthopädischer Praxis, zuerst im Saarland, dann ab 2009 in Berlin.

2003 Gründung der Talat Alaiyan Stiftung für israelische, palästinensische und deutsche Jugendliche in Saarbrücken-Deutschland.

Herausgabe des ersten Buches „Vertreibung aus dem Paradies“ im Verlag Marion von Schröder, später Ullstein Verlag.

2008 Auszeichnung „Deutschland, Land der Ideen.“ von Staatssekretärin im Kanzleramt, Frau Prof. Bömer.

2009 Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz durch Bundespräsident Dr. Horst Köhler.

2010 Auszeichnung mit dem Bürgerin Preis, gestiftet von der FDP. Herausgabe der zweiten Biographie im SchwedenBuch Verlag.

2016 Verkauf der Praxis, Rentnerin. Tätigkeit der Talat-Alaiyan-Stiftung, Betreuung von Flüchtlinge

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